/ Offener Brief an den Regierenden Bürgermeister von Berlin

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Sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister,
Sehr geehrter Herr Senator für Stadtentwicklung und Umwelt,
Sehr geehrter Herr Senator für Gesundheit und Soziales,

Der Sprecherrat des AKTIONSBUNDNISSES LEBENSWERTES WOHNEN IN FRIEDRICHSHAIN-WEST, Sprachrohr der engagierten Friedrichshainer Bürgerschaft im Zusammenwirken mit allen Bewohnern des Stadtbezirkes – richtet den nachfolgenden offenen Brief an Sie und bittet Sie, unserem Anliegen Zeit und Aufmerksamkeit zu widmen. Vorab dafür vielen Dank.

Unser Berlin befindet sich seit geraumer Zeit in lebhaftestem Wandel, den wahrzunehmen weder an ihren Bewohnern noch an den Augen der Besucher vorbeigeht. Die rasant fortschreitende Entfaltung Berlins zu einer ebenso speziellen wie attraktiven Metropole ist nicht nur einem Trend zuzuschreiben. Die stetig wachsende Widerspiegelung dessen im Gesicht der Stadt ist Ergebnis engagierten politischen Handelns von Bürgern sowie Stadt- und Stadtbezirkspolitikern. Der überwiegende Teil der hier lebenden Menschen begrüßt das und stellt sich hinter die für unsere Stadt zunehmend positive Entwicklung.

Das Maß an Zustimmung, die Bereitschaft zur Akzeptanz, bleiben jedoch hinter dem Optimum, das Sie sich vermutlich an Resonanz in Ihrer Wählerschaft wünschen, wahrnehmbar zurück. Der mündige Bürger entdeckt Irritationen und stellt sich Fragen, die nicht einmal im direkten Kontakt mit stadtbezirksnahen Volksvertretern erschöpfende; besser: aufklärende Antwort finden konnten (siehe Fragenkatalog).

Nur auf emotional lebhaften Druck der Anwohner hin ist es im Juni und Juli 2015 zu sog. Informationsveranstaltungen gekommen, zu denen Repräsentanten der WBM-Geschäftsleitung, assistiert von Baufachleuten neben Abgeordneten und Lokalpolitikern mehr oder weniger halbherzig Einblick gewährten in ein Neubauprogramm , das empfindlich in die Wohn- und Lebenswelt des Quartiers im Raum Ostbahnhof bis in den Einzugsbereich des Volksparks Friedrichshain eingreift.

Sie, Herr Geisel, streiften eine dieser Zusammenkünfte mit Ihrer Anwesenheit und hinterließen bedauerlicherweise bei keinem der Anwesenden das Gefühl, dass Sie sich in die Betroffenheit der Anwohner und Mieter hineinversetzen mögen. Im Gegenteil · Sie verließen das Auditorium mit dem Pauschalvorwurf des SanktFloriansPrinzips und haben leider bis heute die freundliche Einladung zum Besuch einer betroffenen Friedrichshainer Familie ignoriert. Lassen Sie uns diese Einladung hiermit erneuern und hinzufügen, dass wir uns sehr freuen würden, wenn Sie zu dieser Begegnung Antworten mitbrächten, die die erwähnten Informationsdefizite decken.

Wir erlauben uns den Verweis auf den Umweltatlas von Berlin, der zeigt, wie sehr die im Berliner Abgeordnetenhaus kolportierte Argumentation zu unterstützen ist, dass Verdichtungsvorhaben umwelt- und sozlalverträglich sein müssenDiese Aussage fußt auf dem Bericht des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) ,,Gemeinsames Raumordnungskonzept (GRK) Energie und Klima für Berlin und Brandenburg“ vom 15. Juli 2012 (durch detaillierte Untersuchungen bestätigt).

Die in Rede stehende Anwendung des§ 34 BauGB ermöglicht isolierte Behandlung einzelner Bauobjekte, ergibt in der Konsequenz aber eine komplexe Veränderung von großräumigen Wohnarealen mit nicht kalkulierten Auswirkungen auf Umwelt und Klima, auf sozialen Frieden und Nachhaltigkeit. Sie vernachlässigt die Schaffung einer dem Volumenzuwachs gemäßen Infrastruktur und missachtet bevölkerungsrelevante Effekte.

Eine verbindliche Bebauungsplanung des gesamten Areals hingegen vermeidet nicht nur die unmittelbare Gesundheitsgefährdung der Bürgerinnen und Bürger Friedrichshains durch kurzsichtige Bebauungensie nähme die gesunde Entwicklung unserer Kinder in den Blick und hielte Unzumutbarkeiten von unseren Senioren fern, von denen wir wissen, dass sie in kommenden Jahrzehnten einen zunehmenden Anteil der Bevölkerung ausmachen werden . Unsere Gesellschaft ist zudem gefordert, Menschen mit Behinderungen besondere Aufmerksamkeit zu schenken und ihnen eine Wohnwelt zu garantieren, die ihren spezifischen Lebensumständen entspricht. Politiker mögen sich deshalb ihrer Fürsorgepflicht für diejenigen bewusst sein, die eben dieser Fürsorge bedürfen!

Wir bestehen auf unserem demokratischen Mitspracherecht!

Wir halten es für unerlässlich, kommenden Generationen ein zeitgemäßes Berlin – möglichst ohne Bausünden und frei von Konzeptionsfehlern – zu übergeben!

Nicht Tempo und Masse sei das Motto der Stunde, sondern Sorgfalt und Klasse!

Unsere Erfahrung ist: Wohnen kann man überall; Leben hingegen nicht.

Haben wir, haben Sie, die Chuzpe und den Mut, dem unter Druck und Hast obwaltenden Drängen nach schnellen Lösungen zu widerstehen! Dafür sind wir gewillt, Sie nach Kräften zu unterstützen .

Berlin im Oktober 2015

Sprecherrat für das AKTIONSBÜNDNIS LEBENSWERTWES WOHNEN IN FRIEDRICHSHAIN-WEST

Doreen Kindt
Dr. Dieter Kloß
Dr. Gabriele Lindner
Hans-Joachim Trappen
Heidemarie Wienert